Vorwarnung: Dieser Beitrag wird etwas dröge … das Text/Bild-Verhältnis steht eindeutig zu Gunsten Text – und das bisschen Bildmaterial ist auch ‚unsexy‘. Vielleicht liest es ja trotzdem jemand 🙂
Vor kurzem gab es eine kurze Notiz in den Nachrichten (*): Das langjährige Temperaturmittel ändert sich! Aha, ach so, muss doch auch – oder? Oder nicht? Ja, genau an dieser Stelle musste ich auch stutzen, denn tatsächlich ändert es sich NICHT jedes Jahr.
Bisher dachte ich, dass wann immer in den Medien von dem langjährigen Temperaturmittel die Rede ist, der Durchschnittswert der letzten (langen) Jahre gemeint sei. Und somit ändert sich das Mittel jedes Jahr, und sei es nur in der 4. Nachkommastelle. Das ist aber nicht so. Es handelt sich beim langjährigen Temperaturmittel ’nur‘ um den Durchschnittswert über 30 Jahre, und das 30-Jahre-Intervall ändert sich nur – tataaa – alle 30 Jahre.
Bisher galten die Jahre 1961 bis 1990 als Referenzzeitraum, seit 1 Woche ist der nächste 30-Jahreszeitraum komplett, also gelten nun die Jahre 1991-2020 als Referenz.
Na und? Ist das wichtig? Ist das relevant? Auch für „Normalos“?
Naja, wie man es nimmt: Die „Katastrophenmeldungen“ in der Art „der Mai ist so und so viel wärmer als das langjährige Mittel“ werden weniger. Denn in der Logik der Medien ist das Verbleiben in der (nun neuen) Norm genau keine Nachricht wert.
Seitenhieb: Das ist auch ein beliebter Trick z.B. in der Pharma-, Auto- und Lebensmittelindustrie: im Zweifel die Grenzwerte ändern, nicht das Produkt. Und solange man innerhalb der Grenzwerte bleibt, schreit kein Hahn nach möglicherweise schädlichen Werten. Oder was früher (möglicherweise) mal gesund war (zB. das berühmte eine Glas Rotwein/ Tag) ist plötzlich schädlich („Alkoholiker!“).
Zurück zum Thema: Der Effekt bei den Temperaturen wird dazu führen, dass Klimawandel-Leugner anführen werden, dass sich die Temperaturen im Vergleich zum langjährigen Mittel doch gar nicht so dramatisch ändern, was soll also das ganze Gedöns um CO2 usw. Autsch!
Was für die Temperatur gilt, gilt auch für die Niederschlagsmenge (aka „Regen“). „Die Natur braucht den Regen“ ist das gängige, auch von mir gerne zitierte Mantra (und „jaaa, aber doch nicht jetzt!“ die ebenfalls gängige Antwort 😉 ). Interessanterweise ist beim Regen der Unterschied zwischen den letzten 30 Jahren und den 30 Jahren davor gar nicht so groß – da spielt uns die (selektive) Wahrnehmung der letzten 3 Jahre einen Streich. Yo, 3 Jahre Trockenheit in Folge sind auch doof, aber bezogen auf das 30-jährige Mittel noch unbedeutend.
Und was hat das mit „Kelteraktiv“ zu tun? Na, was braucht der engagierte Kelterer für ein schönes Stöffsche? Äpfel! Und die brauchen Temperatur (zur richtigen Zeit die Richtige) und Regen (in Form eines längeren ‚Landregens‘ – immer mal wieder). Nicht alle Apfelsorten sind bzgl. ihrer Versorgung durch Wärme und Wasser flexibel, d.h. sie reagieren empfindlich auf Veränderung. Das führt dazu, dass sich einige heimische Sorten gar nicht mehr heimisch fühlen und auswandern – in den Norden. Apfelwein aus Lettland? Anno 2018 noch als exotisch belächelt (**), bald vielleicht die neue Hausmarke?
Und wer neue Apfelbäume pflanzt sollte sich erkundigen, ob die Bäume mit milderem Klima zurecht kommen (ja, haben wir gemacht 🙂 … nach dem Pflanzen 😉 )
Fazit: Man darf auch Statistiken glauben, die man nicht selbst erstellt/ gefälscht hat. Aber manchmal ist es überraschend, was sich hinter scheinbar selbsterklärenden Begriffen verbirgt. Und aufgepasst bei der Baumauswahl!
(*) dieser Blogeintrag wurde inspiriert durch diesen Artikel
(**) siehe Newsletter 2018-VI
Das Beitragsbild zeigt einen taufrischen „roten Trierer Weinapfel“ anno 2009
Ergreifend!
in der Tat interessant. Referenzperioden. Da habe ich wieder etwas gelernt 😉
So schlimm das für die Wahrnehmung bei Klimaveränderungen ist, so günstig scheint mir dieser 30 Jahres Wert beim Gewicht zu sein, 😉 Mit dieser Brille nimmt man doch relativ (?) wenig zu – würde ich schätzen?
Oh verdammt, Du hast Recht! 😊 Mein aktuelles Januar-Gewicht weicht deutlich weniger vom neuen langjährigen Mittel ab, als vom alten. Ich sag’s ja: manchmal ist es einfacher den Referenzwert zu ändern 😂😂😂